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Kardiologie 2015: Quo Vadis? – Bericht von der ALKK-Jahrestagung 2015

Die diesjährige ALKK-Jahrestagung fand vom 25. bis 27. Juni 2015 in Esslingen statt. Das wissenschaftliche Programm stand unter dem Motto „Kardiologie 2015 – Quo Vadis?“ unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Matthias Leschke, Klinikum Esslingen. Zu dem ALKK-Treffen kamen insgesamt über 80 Teilnehmer, davon erstmals auch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen.

 

TAVI und Mitralclip – Wie geht es nach dem aktuellen GBA Beschluss weiter?

Der Vormittagssitzung waren 3 Themen gewidmet: „Aktuelles zu TAVI und Mitraclip – wie geht es nach dem GBA-Beschluss weiter?“ und „Bildgebung: Aktuelle Entwicklung“. Das Thema „Krankenhausstrukturgesetz (KHSG)“ war aus aktuellem Anlass zusätzlich mit auf das Programm genommen worden.

Herr Prof. Hennersdorf, Klinikum Heilbronn, stellte die strukturellen Anforderungen vor, die an kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (TAVI) in Krankenhäusern nach dem GBA-Beschluss ab sofort gestellt werden. Nach dieser Richtlinie können diese Interventionen nur noch in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie und einer für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden. Eine Verbringungsleistung ist nicht möglich. Herzkatheterlabor mit Linksherzkathetermessplatz sowie herzchirurgischer Operationssaal bzw. Hybridoperationssaal und Intensivstation müssen sich in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex in räumlicher Nähe mit möglichst kurzen Transportwegen und -zeiten zueinander befinden. Was hat das für Konsequenzen für Krankenhäuser, die heute mit einer kooperierenden Herzchirurgie in einem Hybrid-OP oder Herzkatheterlabor unter Präsenz einer Herz-Lungen-Maschine die Eingriffe erbringen? Eine Übergangslösung wurde eingerichtet, aber was ist danach? Gibt es demnächst Krankenhäuser erster, zweiter und dritter Klasse? Danach werden Kliniken der ersten Klasse, die eine Herzchirurgie in räumlicher Nähe aufweisen, die TAVI-Eingriffe erbringen dürfen und Kliniken die keine eigene Herzchirurgie aufweisen, werden von der Erbringung dieser Leistungen ausgeschlossen.

Aus Sicht der Krankenkassen wird der GBA-Beschluss Strukturvoraussetzungen zur Zentrenbildung und notwendigen Routine der Leistungserbringer mit transparenter Struktur- und Prozessqualität schaffen.

 

Krankenhausstrukturgesetz (KHSG):

Das Krankenhausstrukturgesetz plant die Einführung von Qualitätsindikatoren in die Krankenhausplanung, verschärfte Mindestmengenregelungen, Qualitätszu- und abschläge. Bei Nichteinhaltung von Qualitätsvorgaben in mehreren aufeinander folgenden Jahren wird die Schließung von Abteilungen und Kliniken angedroht. Der Verordnungsgeber plant offenkundig unter dem Deckmantel der Qualität eine Ausdünnung der Krankenhauslandschaft herbeizuführen. Dies wird verstärkt durch eine Mengensteuerung auch mit Hilfe der Zweitmeinungsbildung und geplanten Abschlägen in der Vergütung bei planbaren Eingriffen mit auffälligen Fallzahlsteigerungen. Aus Sicht von Herrn Prof. Hennersdorf haben diese gesetzlichen Veränderungen enorme Konsequenzen: Wer definiert die Qualitätsindikatoren? Wer prüft? MDK oder eine unabhängige Instanz? Welche Zahlen gehen in die Mindestmengen-Berechnung ein? Beziehen sie sich auf den Untersucher oder die Klinik? Zählt auch die Assistenz für den Weiterbilder als Eingriff?

Aus Sicht der Geschäftsführer widersprechen die Vergütungsabschläge einer Leistungssteigerung durch Zulauf bei hoher Qualität. Das Prinzip: gleiche Leistung, gleicher Preis wird aufgehoben. Darüber hinaus besteht eine Gefährdung der Weiterbildung.

 

Bildgebung: aktuelle Entwicklung

Herr Prof. Dr. Schröder, Klinikum Göppingen stellte die neuesten Entwicklungen bei der kardialen CT-Diagnostik dar, Herr Prof. Dr. W. Fehske, Köln, präsentierte die Fortschritte in der Echokardiographie und Herr Prof. Dr. U. Sechtem, Stuttgart, gab einen Überblick zum aktuellen Stellenwert der kardialen MRT-Diagnostik.

 

Kardiologie in 25 Jahren:

Herr Prof. Dr. G. Hasenfuß, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Herzzentrum Universitätsmedizin Göttingen, präsentierte einen hochinteressanten Vortrag zum Thema: „Quo Vadis – Kardiologie in den nächsten 25 Jahren?“ Getreu dem Satz von Mark Twain „Prognosen sind eine schwierige Sache, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ berichtete er, dass bis zum Jahr 2030 aufgrund des demographischen Wandels weit über 50% der Herzkathetereingriffe bei über 70jährigen vorgenommen werden. Man muss davon ausgehen, dass es zu einer Epidemie kardiovaskulärer Erkrankungen durch Zunahme der metabolischen Erkrankungen kommt. Dies bedeutet für den Zeitraum 2010 bis 2030 eine Zunahme der koronaren Herzerkrankung und der Herzinsuffizienz um jeweils 31 %. Die Zunahme der Herzinsuffizienz ist der demographischen Entwicklung, dem besseren Überleben beim Herzinfarkt und den besseren Therapieoptionen geschuldet. Darüber hinaus nimmt die degenerative Aortenstenose weiter zu, die bei über 75jährigen in 5 bis 10 % vorliegt. Nach den Göttinger Daten zur TAVI-Prozedur haben die Patienten, die das größte Maß körperlicher Selbstständigkeit vor der Katheterintervention aufweisen, die beste Überlebensprognose. Erhebliche Fortschritte erwartet er ebenfalls in der Innovation der MRT-Untersuchungen. So werden demnächst mittels Echtzeit-MRT-Herzkatheter mit MRT-Optionen zur Verfügung stehen, die eine simultane Durchführung von Ablationen und Narbendetektion ermöglichen, wodurch eine komplette Ablation unter Vermeidung von Wiederholungseingriffen vorgenommen werden kann. Herr Prof. Hasenfuß erwartet ebenfalls große Fortschritte im Bereich „Electronic-Health“. So existieren schon jetzt über 100 000 medizinische Health-Apps. Prof. Hasenfuß geht davon aus, dass durch die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes die erhöhten Kosten des Gesundheitssystem aufgefangen werden können.

 

Aktuelle Kontroversen in der Kardiologie:

In den Nachmittagssitzungen wurden aktuelle Kontroversen in der Kardiologie: u.a. PFO/Vorhofseptumaneurysma/Kryptogener Schlaganfall/Vorhofohrokkluder diskutiert. Herr Prof. Dr. U. Ziemann, Universitätsklinik Tübingen, präsentierte die neurologische Sichtweise, wonach für ihn eine Indikation zum PFO-Verschluss bei unter 50jährigen mit einem deutlichen Shunt und einem Vorhofseptumaneurysma bei Ausschluss anderweitiger Schlaganfallursachen in Betracht kommt. Darüber hinaus stellte er das neue Konzept zum „Embolic stroke of undetermined source (ESUS) vor. Dieser embolische Schlaganfall ist definiert als nicht-lakunärer ischämischer Schlaganfall im CCT oder MRT bei Ausschluss von höhergradigen arteriosklerotischen Stenosen in die das Infarktterritorium versorgende extra- und intracraniellen Hirngefäßen, bei fehlendem Nachweis relevanter Risikofaktoren für kardiale Emboliequellen und Abwesenheit anderer Schlaganfallursachen. Die Embolie stammt aus kardialen Quellen, Venen (paradoxe Embolien) und nicht-stenosierende instabile Plaques des Aortenbogens und der hirnversorgenden Gefäße. Diese Embolien bestehen in den „meisten“ Fällen aus fibrinreichen Thromben. Demnach wäre ein therapeutisches Konzept, das auf einer Antikoagulation beruht, eine effektive Sekundärprophylaxe, auch da über 20 % dieser Embolien vermutlich auf einer kardioembolischen Quelle bei paroxysmalem Vorhofflimmern beruhen, dürfte der Einsatz der neuen oralen Antikoagulantien für diese Fälle besonders interessant sein. Herr Prof. Ziemann macht sich auch für ein konsequentes Screening auf paroxysmales Vorhofflimmern durch Einsatz eines Eventrekorders stark.

 

Der gestresste Kardiologe: was ist zu tun?

Herr Prof. Dr. H. Ladwig, Helmholzzentrum München, setzte sich mit der schwierigen Thematik auseinander: „Der gestresste Kardiologe: was ist zu tun? … Die Psyche pflegen“. Dabei wies er darauf hin, dass Männer in der Gesamtbevölkerung im Schnitt eine Lebenserwartung von 79,5 Jahren haben, wobei Ärzte durchschnittlich ein Alter von 83,9 Jahre erreichen. Diese Zahlen implizieren zunächst, dass Ärzte aufgrund der längeren Lebenserwartung auch gesünder leben als die Gesamtbevölkerung. Dabei handelt es sich um einen Trugschluss, da Arbeitszeiten von bis zu 80 Stunden in der Woche, Schicht/Bereitschaftsdienste Ärzte nicht selten aus ihrem sozialen Umfeld reißen und ein Privatleben nahezu unmöglich macht. Deshalb scheitern häufig Partnerschaften, zerbrechen Familien, außerhalb des Berufes stellt sich eine Einsamkeit ein. So gaben 43 % in einer Schweizer Umfrage unter Allgemeinmedizinern an, dass sie mindestens einen Kollegen persönlich gekannt haben, der einen Suizid begangen hat. Fast ein Drittel erklärte, sie hätten selbst eine suizidale Phase durchgemacht. So sind Ärzte in ihrem Berufsbild einer hohen Anstrengungsbereitschaft und Selbstdisziplin, Unterdrückung eigener psychischer Belastungsfaktoren, Vermeidung und Unterdrückung negativer Affekte, einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und einem Retterimpuls ausgesetzt. Er gab als Stressmanagementkonzept an: Handeln sie reflektierend, nehmen sie eine distanzierte Stellung zu sich ein, wertschätzen sie ihren Beruf und ihre berufliche Rolle, machen sie sich erneut bewusst, welche zentrale Rolle sie im Leben ihrer Patienten spielen, betrachten sie die Patient-Arzt-Kommunikation nicht als zeitraubendes, notwendiges Übel, tun sie etwas für sich selber, genießen sie den Umstand, dass sie das machen dürfen, was sie gerade tun.

Mit diesem Beitrag rundete Prof. Ladwig ein gelungenes wissenschaftliches Programm der diesjährigen ALKK-Jahrestagung ab. Herr Prof. Leschke erinnerte in seinem Abschiedsgruß noch einmal daran, dass es wichtig ist, die ALKK-Tagung auch für den BNK zu öffnen, dass niedergelassene Kolleginnen und Kollegen eingeladen werden und dass die ALKK-Mitglieder sich verstärkt im Rahmen der ALKK engagieren, um die klinische, nicht-universitäre Kardiologie innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie besser zu präsentieren.

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